Die Expedithalle der ehemaligen Ankerbrotfabrik war am vergangenen Wochenende Schauplatz des zweiten Craft Bier Fests in Wien. Schon die Premiere im Mai war trotz schlechten Wetters ein voller Erfolg, der natürlich wiederholt werden wollte. Die Wahl der neuen (wettergeschützten) Location und die Aufstockung des Angebots auf 71 Brauereien aus 11 Nationen mit insgesamt über 300 „handwerklich hergestellten“ Bieren ließen dem Craft Bier Liebhaber keine Wünsche mehr offen.
Die Ausstellerliste kann sich sehen lassen. Kleine Craft Bier Brauer, die zum Teil erst seit wenigen Monaten im Geschäft sind, treffen hier auf namhafte Brauereien mit langjähriger Erfahrung und Importeure, die ihr reichhaltiges internationales Sortiment vorstellen. Auch einige mittelständische Brauereien sind vertreten und zeigen, wie sie das Thema Craft Bier angehen. Es versprach also, spannend zu werden.
Unsere Favoriten waren schwer zu finden. Die vielfältige Auswahl bot ein Highlight nach dem anderen. Schon unser Start am Stand von Birra Baladin war ein Geschmackserlebnis. Die eher ins Süßliche rutschenden Biere spielen mit Geschmacksrichtungen wie Kaffee, Orange, Vanille, Pfeffer oder Kürbis. Aperitif Nummer zwei, ein Wiener Lager, fanden wir bei Gablitzer, der Brauerei, welche erst seit Anfang des Jahres besteht. Ein hervorragend ausbalanciertes Lager zwischen Hopfen- und Malzgeschmack. Nach diesen gelungenen Startern ging es weiter, vorbei an der bekannten Bierzauberei, die bereits fester Bestandteil im heimischen Kühlschrank ist, zu einer kleinen Brauerei namens Lucky Bastard aus Tschechien. Vor allem das IPA hat es uns angetan, das zur Zeit leider nur palettenweise nach Österreich lieferbar ist. Würde unser Kühlschrank so viel fassen, hätten wir die Bestellung bereits aufgegeben.
Nach dem obligatorischen Fassanstich, der von Pilsner Urquell vor einem durchdesignten Retro-Schankwagen vollführt wurde, ging es weiter zu Schneider Weisse, einer wohl bekannten Mittelstandsbrauerei aus dem bayerischen Kelheim, bei der man den Aventinus Eisbock probieren und sich das dazugehörige Herstellungsverfahren genauer erklären lassen sollte. Die Weißbierspezialisten gehen andere Wege als die meisten Brauer und versuchen sich mit (wie wir finden) großem Erfolg an der Reifung und Veredelung ihrer Weizenbiere.
Der Eisbock, mit „leichten“ 12% vol., läutete sodann die erste Pause ein. Dank kulinarischer Schmankerl wie Raclette- und Käsevariationen, passend fürs Craft Bier Fest kreierte Speisen vom Badeschiff und Würsteln von Magdas Kantine, die seit kurzem gegenüber der Halle geöffnet hat, waren die Akkus für Runde zwei wieder aufgeladen.
Der Gemeinschaftsstand der Culturbrauer fand schon in Runde eins unsere Aufmerksamkeit aufgrund seiner zahlreichen Ausschankkräfte, die sich bei näherer Betrachtung als fachsimpelnde Brauprofis herausstellten, welche ihre jeweilige Brauerei vertraten. An dieser Stelle gilt der Dank Judith von brewaholic, die uns eine Auswahl der 18 Bieren von 9 Brauereien zusammenstellte. Beindruckend fanden wir das Hopfenspiel (leichtes Pils) von Trumer, das trotz mickriger 2,9% vol. ein voluminöses Geschmackserlebnis aufzeigt. Im Gegensatz dazu besticht das in Eichenfässern gereifte Samichlaus Barrique von Schloss Eggenberg, trotz seiner 14,0% vol., durch eine unvorstellbare Rundheit zwischen Taninen, würziger Frucht und Süße nach Karamell. Eingestimmt (mit leicht nachlassender Geschmacksdiagnostik) und bereits völlig integriert in das Fachsimpeln unter „Craft Bier Kollegen“ wurde uns empfohlen den Stand von Xaver aufzusuchen, was wir sogleich taten. An dieser Stelle sei gesagt, dass die aufgestellten Trinkwasserbehälter nicht nur zum Ausspülen des Glases gedacht sind. Zurück zu Xaver: Die Brauerei aus Wien Ottakring stellt auf gerade mal 50qm ein Stout her, das tiefschwarz trotz starker Kaffeearomen eine wunderbare Weichheit enthält, welche durch Zugabe von Haferflocken geschafft wird.
Die nächste Verkostungsrunde führte uns zum Stand von Getränkegroßhändler Ammersin, der mit 10 Brauern und insgesamt 17 Bieren aufwartete. Das uns bisher noch unbekannte ReAle (American Pale Ale) von Birra del Borgo begeisterte uns durch seine würzige, fast pfeffrige, Note mit spritzigen Zitrusaromen und einem leicht bitteren Abgang. Die finale Krönung erhielt von uns der Barleywine von Nøgne Ø, den wir am Stand vom Importeur Bierfracht, welcher vom Biersommelier des Jahres höchstpersönlich bewirtet wurde, verkosten konnten. Ein gelungener Abschluss eines einprägsamen Verkostungsmarathons.
Die Veranstaltung fanden wir mehr als gelungen und trotz einer wirklich ausgedehnten Verkostungsrunde beschlich uns am Ende das Gefühl, dass wir lange nicht alle Schätze entdecken konnten, die die Ankerbrothalle für uns bereithielt.
Wir freuen uns schon auf das kommende Craft Bier Fest III.
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