Aus den Augen aus dem Sinn?

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Brandy ist ja nichts Neues. Genau genommen sogar was ziemlich altes (wenn man einen guten erwischt). Trotzdem spielt er in den letzten Jahren in den Bars und Spirituosenregalen in unseren Breiten nicht gerade die größte Rolle. Aber warum ist das so? Ist er weniger gut als Whiskey oder einfach nur nicht so angesagt wie Gin?

 

Brandy – die fassgelagerte Ausbauvariante eines Weinbrands – kommt zumeist aus Spanien und zählt zu den ältesten Spirituosen der Welt, noch weit vor Whisky und Gin das Licht der Bars erblickten. Schon rund 1.000 n. Chr. sollen in der heutigen Türkei Brände aus Wein hergestellt worden sein. Sein französischer Bruder mit ähnlich langer Geschichte, der Cognac, wird zwar auf sehr ähnliche Weise gewonnen, nichtsdestotrotz unterscheiden sich die beiden zum Teil recht grundlegend im Geschmack.

Einer der bekanntesten und ältesten Namen im Brandy-Geschäft ist die Firma Torres, die – noch heute im Familienbesitz – bereits seit 1870 im Wein- und in nächster Konsequenz so auch im Brandy-Geschäft ist. Mit einem familiären Weinbaubetrieb, wie man es in Österreich oft findet, hat das allerdings nicht mehr allzu viel zu tun. Mit über 1.300 Mitarbeitern werden Weine in zahlreichen Lagen im Katalonien (Baskenland) angebaut, aus denen einerseits die Weine des Portfolios, andererseits die Grundlage für die fünf Brandy-Qualitäten gewonnen werden. Darüber hinaus besitzt Torres ebenso einige Lagen in Chile, aus deren Trauben unter Anderem ihr Pisco »El Gobernador« aus Rosé Muscatel und Muscat of Alexandria-Trauben destilliert wird – daraus wird der fruchtige, unausgebaute jüngere Bruder des Brandy. Und genau diese sechs Spirituosen durften wir – eine erlesene Mannschaft aus Barkeepern, Bloggern, Händlern und Vertretern der (traditionellen) schreibenden Zunft – verkosten. Geladen wurde dazu im nagelneuen, erst in der Folgewoche offiziell eröffneten The Birdyard in der Langen Gasse, welches uns auch mit Kostproben aus ihrer Karte versorgte. Aber dazu etwas später mehr.

Und wie schmecken sie nun?

1. El Gobernador

Der chilenische El Gobernador ist mit seinen Moscatel-Trauben (gelber Muskateller) fruchtig, fein und klar. Auch pur ist er für einen Pisco überraschend mild und weiß sich mit der vordergründigen Muskatnote sicher auch gut in Drinks hervorzuspielen. Aromen von Zitronenschalen und florale Elemente lassen ihn als eine tolle Grundlage für Chilcanos und Pisco Sours entlarven. Das macht Lust auf mehr!

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2. Torres 5

Die einfachste Qualität des Torres Brandy-Portfolios siedelt sich, trotz fünfjähriger Reifung im Holzfass (nach dem in Spanien bei Brandy und Sherry üblichen Solera-Verfahren), noch auf der fruchtigen Seite an. Er hat etwas mehr Schärfe im Abgang, dafür versteht sich die vordergründige Frucht hervorragend mit der dezenten Holznote und lässt dabei neben besagten Weinanklängen Noten von Walnuss erahnen, bevor im Abgang das Holz das Ruder übernimmt und sich Vanillenoten hervorspielen.

3. Torres 10

Mit doppeltem Alter ist der große Bruder in Sachen holzinduzierter Noten schon eine andere Nummer (die 10 eben). Zimt- und Vanillenoten spielen hier die Hauptrolle, das Destillat ist schon deutlich weicher und auch die Textur wird cremiger und vollmundiger bei viel Eiche im Abgang. Bereits pur ist der Zehner wirklich nicht zu verachten, mit seinen Kanten würde ich ihn unheimlich gern in einem Sour mit Eiweiß (natürlich!) oder einem Sidecar sehen.

4. Torres 15

Hier kommen wir langsam in die Sphären, die man sich mindestens genauso gern pur ins Glas schenkt. Mit einem deutlich dunkleren Ton als die jungen Geschwister geht der Torres 15 ins Rennen. Er glänzt, anders als sein nächstjüngerer Bruder, der Zehner, mit einer eleganteren Holznote, welche die Aromen der Spirituose eher leben lässt und diese wunderbar unterstreicht. Rauchige Noten spielen zusammen mit getrockneter Zwetschke und einem ordentlichen Schlag Tannine. Generell glänzt er mit einer unglaublichen Rundheit, lässt dabei in Sachen Geschmacksbalance ein wenig an Bourbon denken. Eine Freude zur Zigarre. Oder alleine.

5. Torres 20

Hier macht sich einmal mehr das fortgeschrittene Alter bemerkbar. Noch eine Spur reifer, augewogener, angenehmer. Eine wirklich tolle Spirituose, wenngleich ich eingestehen muss, dass mich gerade die Ecken und Kanten der jüngeren Geschwister etwas mehr in den Bann ziehen konnten. Trotzdem sollte man ein Glas von dieser Schönheit (die Flasche!) niemals abschlagen. Niemals.

6. Jaime I

Schönheit liegt ja im Auge des Betrachters. Dass mein Auge von dieser Flasche jedoch, welche laut Torres von den Bauten des katalanischen Modernisme-Architekten Antoni Gaudí inspiriert wurde, keine Luftsprünge machte, soll aber der Verkostung keinen Abbruch tun. An Balance, Aromenreichtum und Weichheit (zumindest an diesem Abend) kaum zu übertreffen, ist der Jaime I ein würdiger Abschluss des Abends. Das Produkt ist eine Hommage an Jaime Torres Vendrell, den Gründer des House of Torres, welcher – zehn Jahre nach Gründung des ersten Weinguts – den Grundstein für den Erfolg des Hauses legte.

 

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Was bleibt?

Nun, dass Brandy aromatisch mindestens genauso vielschichtig wie Whisky, Whiskey, Rum & Co. sein kann, das konnte ich mir schon vor dieser Verkostung ausmalen. Trotzdem wurde mir das hier recht eindrucksvoll bewiesen. Was mir in Erinnerung bleibt, sind aber interessanterweise eher die jüngeren Vertreter der Sorte, welche in Cocktails Raum zur Gestaltung lassen, oder – pur genossen – Geschmacksknospen und Nase mit Ecken und Kanten fordern. Alles in Allem werden aber mit Sicherheit die nächsten freien Plätze in der Hausbar auch für den einen oder anderen Brandy frei gehalten. Also: Es lohnt sich jederzeit, über die gewohnten Spirituosensorten hinaus die Fühler auszustrecken und Neues (oder eben Altes) kennenzulernen.

Und sonst?

Ein gelungener Abend war das, dort im nagelneuen Birdyard mit seinen großflächigen Vogel-Illustrationen (könnte was mit dem Namen zu tun zu haben) und der ansonsten gediegenen Bar-Atmosphäre (zumindest im Untergeschoss des ehemaligen Kabarets in der Langen Gasse, wo sich auch die Bar befindet).

Die Veranstaltung wurde abgerundet durch eine kleine Competition, in der man mit einem Becher an einer langen, wackeligen Stange Wasser (keinen Brandy) aus einem Fass in ein Kostglas gießen sollte. Klingt einfach, ist es aber nicht. Der Gewinner bekam eine Flasche Torres 15, ich ergatterte mit einer an sich guten Performance Platz drei und ging leer aus, trotzdem aber beschwipst und glücklich heim. Um den Abend gebührend ausklingen zu lassen, versorgten uns die Birdyard-Barkeeper David Kranabitl, Dominik Möller und Feng Liu neben dem übrigens extra aus Finland eingeflogenen Torres-Ambassador Jusi noch mit ein paar Drinks, unter anderem einer (nein, zwei) wundervollen Brandy-Adaption eines Signature Drinks. Wie das Original heißt, hab ich vergessen. So gut war er. Wer ihn auch kosten will, muss wohl selbst hingehen und sich durchkosten.

 

Disclaimer: Die Veranstaltung fand auf Einladung des Importeurs Borco statt.

 

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